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5G und Glasfasernetze – ein unvoreingenommener Überblick

Auf dem Crap San Gion in Laax sendet eine der ersten 5G-Antennen der Schweiz. Die fünfte Generation der Mobilfunknetze bewegt wie noch kaum eine Netzgeneration die Schweizerinnen und Schweizer. Von Horrorszenarien bis zur Wundertechnologie für sämtliche Telekombedürfnisse scheint 5G für alles gut zu sein und wird entsprechend instrumentalisiert.

Peter Grupp, Senior Consultant xseed.works

Das wichtigste in Kürze:

  • Stärken von 5G: sehr schnelle Datenübertragung, mehr Geräteverbindungen pro Antenne, kürzere Reaktionszeiten
  • 5G ist optimiert für das Internet der Dinge (IoT)
  • 5G startet in der Schweiz 2019, in Südkorea und den USA wurde 5G im März 2019 gestartet.
  • Die Schweizer Vorschriften sind genau so streng wie bisher für Mobilfunk, weshalb kaum zusätzliche Gesundheitsrisiken zu erwarten sind
  • 5G kann nicht grossflächig Glasfaseranschlüsse ersetzen. Diese werden weiter benötigt.
  • Es werden tausende zusätzlicher Mobilfunkantennen für 5G benötigt

Fast täglich und sowohl im privaten wie im geschäftlichen Umfeld werden wir auf 5G angesprochen. Jeder hat davon gehört, Roger Federer wirbt mit 5G für Sunrise und der Nachbar sendet WhatsApp-Videos von Staren, die angeblich in Holland wegen eines 5G-Versuchs tot vom Himmel fallen. (Selten hat ein so gut gemachter Fake einen derart haarsträubenden Inhalt verbreitet.) Und nicht zuletzt gehört die Frage, ob wegen 5G die Milliardeninvestitionen in die FTTH-Netze in den Sand gesetzt sind, zurzeit zum Standardthema nahezu jedes Telekom-Workshops. Treten wir einen Schritt zurück und betrachten Chancen und Risiken von 5G so neutral, wie das denn möglich ist.

5G ersetzt nicht grossflächig Glasfaseranschlüsse

Die Stärken der 5. Mobilfunkgeneration gegenüber ihren Vorgängerinnen sind höhere Bandbreiten (Datenübertragungsrate), kürzere Reaktionszeit (sog. Latenzzeit) und mehr gleichzeitig verfügbare Verbindungen (Handys und andere Geräte).

Zuerst einmal verspricht 5G weitaus höhere Bandbreiten bei der Datenübertragung, also Downloadraten im Bereich von 1 Gb/s (Gigabit pro Sekunde) bis 10 Gb/s. So soll 5G sogar Glasfaser-Anschlüsse (Fibre to the Home, FTTH) ersetzen. Tatsächlich sind diese Bandbreiten jeweils pro Antenne verfügbar und werden durch alle verbundenen Nutzer geteilt. Dies gilt bei 5G genauso wie bei den früheren Mobilfunktechnologien. Bei FTTH-Anschlüssen ist das Gegenteil der Fall: sowohl im Download wie im Upload sind die Bandbreiten fix jedem Anschluss zugeteilt und garantiert. Nichts desto trotz liegen die verfügbaren 5G-Bandbreiten weit über dem bisher erlebten im Mobilfunk. So werden Downloads von HD-Filmen, 3D-Games und Anwendungen der virtuellen/erweiterten Realität (virtual/augmented reality) ohne Ruckeln möglich.

Einem Ersatz von Festnetzanschlüssen durch 5G steht im Weg, dass die wirklich hohen Bandbreiten auf hohen Sendefrequenzen erreicht werden. So hat das BAKOM den Mobilfunkanbietern in der Versteigerung im Februar 2019 unter anderem Konzessionen für das Frequenzband bei 3.5 Gigahertz überlassen. Die physikalischen Eigenschaften sind jedoch derart, dass hohe Frequenzen Mauern und andere Hindernisse nur schlecht durchdringen. Das bedeutet, dass ausserhalb von Gebäuden, Wäldern und möglichst auch Bauzonen hohe Bandbreiten verfügbar sind. In Gebäuden sind jedoch oft nur die tieferen Frequenzen mit geringeren Bandbreiten empfangbar. WLAN nutzt übrigens (neben dem 2.4 Gigahertzband) das 5-Gigahertzband und kann damit noch schlechter Mauern durchdringen.

Es wird folglich klar, dass 5G kein grossflächiger Ersatz von hochbreitbandigen Festnetzanschlüssen sein kann. Dies gilt insbesondere für Glasfaseranschlüssen mit Internetbandbreiten von 1 sogar 10 Gigabit pro Sekunde. Auf der anderen Seite kann 5G durchaus eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative bieten für dezentrale und dünn besiedelte Gebiete sowie für Kunden mit weniger hohen Ansprüchen an eine hochbreitbandige Internetverbindung. In solchen Situationen werden die Daten über Aussenantennen empfangen und über Kabel in die Gebäude transportiert.

Höhere Frequenzen und zusätzliche Antennen

Für 5G und weitere Mobilfunkgenerationen dürften dereinst noch viel höhere Frequenzen genutzt werden. Zur Diskussion stehen Frequenzbänder ab 6 Gigahertz, insbesondere aber über 20 bis gegen 100 Gigahertz (auch Milimeterbereich genannt). Sie werden eine massive Erhöhung der Bandbreiten bringen, auf der anderen Seite jedoch noch schlechter Gebäudehüllen oder sogar auch nur schon belaubte Bäume durchdringen. In der Schweiz wurden diese Frequenzen nicht vergeben, dies im Gegensatz zu Südkorea und den USA, wo bereits Frequenzen zwischen 25 und 28 Gigaherz im Einsatz sind.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Reichweite einer Antenne mit der Höhe der Frequenz abnimmt. Um gleich viele – oder möglichst immer mehr – mobile Geräte zu versorgen, werden bereits bei 5G substanziell mehr Antennen nötig sein. Die Mobilfunkanbieter sprechen von bis zu 15’000 neuen Antennen für die Schweiz, die allesamt mit Glasfasern angebunden werden müssen. Jede kann einzeln bekämpft werden und benötigt im Schnitt zwei Jahre Aufwand und deutlich über 100’000 Franken für die Realisierung.  Der Ausbau wird folglich Jahre dauern und sehr viel Geld kosten.

Durch die Antennenanbindung bietet sich Betreibern von Glasfasernetzen eine zusätzliche und attraktive Geschäftsgelegenheit. Sie sollte durch Gespräche mit Mobilfunkbetreibern aktiv gesucht werden, kann aber nicht den Bau eines Glasfasernetzes in alle Wohn- und Geschäftseinheiten (Fibre to the Home) finanzieren.

Internet der Dinge und mobile Nutzung

Das vielleicht wichtigste Einsatzgebiet von 5G dürfte längerfristig beim Internet der Dinge liegen, also bei der drahtlosen und allenfalls zusätzlich der bewegten Internet-Nutzung von Geräten und Sensoren. Beim Internet der Dinge, auch IoT (Internet of Things) genannt, werden automatisierte Internetanbindungen von Geräten, Sensoren und Aktoren benötigt. Das können Messsysteme sein (Wassernutzung, Luftmessung), Überwachung von Objekten oder die Steuerung von Gebäuden und Anlagen bis hin zur industriellen Automation (Industrie 4.0). Schon allein wegen der grossen Zahl der anzuschliessenden Geräte sind diese nicht wirtschaftlich mit Kabeln anschliessbar. Wenn sich diese Dinge zudem bewegen, wie beispielsweise Fahrzeuge, ist erst recht keine Festnetznutzung möglich. 5G ist speziell optimiert für diese Internetgeräte mit oft geringen übertragenen Datenmengen. Durch die Nutzung tiefer Frequenzen im 700-Megaherz-Bereich werden Mauern gut durchdrungen bis hin Untergeschosse von Gebäuden. Die Reichweiten sind hoch und zudem ist 5G für diese Anwendungen auf geringen Energieverbrauch optimiert, so dass die vernetzten Geräte jahrelang mit einer einzigen Batterie betrieben werden können. Durch die Unterstützung älterer Datenstandards sollte die Technologie auch kostengünstig einsetzbar sein. Für Zeitkritische Anwendungen wie dem automatisierten Fahren oder der Steuerung von Stromnetzen bietet 5G zudem den Vorteil nahezu verzögerungsfreier Datenübertragung.

Bei IoT steht 5G in Konkurrenz zu anderen Drahtlostechnologien wie LoRaWAN, WLAN, 4G (NB IoT) und weiteren Übertragungsstandards. Dabei muss sorgfältig geprüft werden, welche Technologie am besten die jeweiligen Anforderungen erfüllt.

Neue Risiken durch 5G?

Ist 5G gesundheitsschädlicher und damit «gefährlicher» als 4G und älteren Mobilfunkgenerationen? Neben unseriösen Panikmachern wie dem Klagemauer-TV wurde ein 5G-Moratorium auch in den Kantonsparlamenten von Waadt und Genf besprochen (und in letzterem eine Motion überwiesen). Die möglichen Einwirkung von Strahlungen hängt einerseits von der Strahlungsstärke (Energie) und andererseits von der Frequenz der Strahlung ab. Beim 5G-Einsatz gemäss den im Februar vergebenen Lizenzen ist in keinem der beiden Kriterien Gefahr in Sicht: Die sehr tiefen Schweizer Strahlungsgrenzwerte werden nicht erhöht und auch die Frequenzen liegen im seit Jahren verwendeten und bekannten Bereich der früheren Mobilfunkgenerationen und von WLAN. Das bestätigt laut Tagesanzeiger einer der wichtigsten unabhängigen Experten in der Schweiz auf dem Gebiet Mobilfunk: «Es gibt keine Indizien dafür, dass 5G stärkere oder andere Auswirkungen hat als bisherige Netze», sagt Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Pub­lic-Health-Institut in Basel, der die beratende Expertengruppe «Nicht ionisierende Strahlung» des Bundes leitet. Durch die grössere Zahl von Mobilfunkantennen und dadurch kürzere Übertragungsstrecken mit optimiertem Strahlungsverhalten dürfte sich die Einstrahlung für viele Nutzer sogar vermindern und nicht erhöhen, wie viele befürchten.

Ob die zusätzliche Anzahl von Internetgeräten zu vermehrter Strahlung führen wird, muss sich weisen.  Wobei aus Sicht einer Person die Strahlung des eigenen Handys nach wie vor für den weitaus grössten Teil der Strahlung sorgt. Weniger erforscht sind die Frequenzen von 20 bis 100 Gigahertz (auch Mikrowellen genannt), die künftig zur Erreichung noch höherer Bandbreiten eingesetzt werden sollen. Sie werden in den USA und Südkorea bereits für 5G und weltweit für Radar und Richtfunk eingesetzt. Bis Mitte 2019 soll eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bafu einen Bericht mit Empfehlungen zum Bereich Mobilfunk und Strahlung verfassen.

Bilanz und Folgerungen

Aus den Erläuterungen wird klar, dass 5G die Möglichkeiten des Mobilfunks verbessert und erweitert. Insbesondere bietet sie eine viel leistungsfähigere Datenübertragung von und zu Mobilfunkgeräten und im Bereich Internet der Dinge neue sowie stark verbesserte Anbindung von Mess- und Steuergeräten. Hier sind insbesondere die nur noch minimale Verzögerung der Datenübertragung und die neuen tieferen Frequenzen zu nennen, die auch tief in Gebäude eindringen und beispielsweise Gebäudesteuerungen und Fernauslesung von Verbrauchs- und Messdaten ermöglichen.

5G ist jedoch ungeeignet, grosse Mengen von hochbreitbandigen Glasfaseranschlüssen zu ersetzen. Ein Ersatz von dezentral gelegenen Festnetzanschlüssen in dünn besiedelten Gebieten mit einer für die meisten Heimanwender genügenden Bandbreite kann 5G bei sorgfältiger Planung gewährleisten. Je nach Ausgangslage können dies Mobilfunknetze der fünften Generation wirtschaftlicher lösen als der Ausbau von Festnetzen.

Auch wenn die Schweiz mit einer frühen Frequenzvergabe und weltweit führenden Telekomunternehmen eine Pionierrolle einnimmt, wird der Ausbau viele Jahre dauern, tausende zusätzlicher Antennen benötigen und entsprechend Kapital verschlingen. Die neuen und möglicherweise bahnbrechenden Möglichkeiten von 5G werden somit schrittweise eingeführt. 5G kann nicht per Knopfdruck im vollen Leistungsumfang aktiviert werden.

Allfällige neue gesundheitliche Risiken sind bis auf weiteres nicht absehbar, da sich an Art und Intensität der Strahlung nichts Wesentliches ändert im Vergleich zu den seit Jahrzehnten eingesetzten Mobilfunktechniken.Weiter Informationsquellen: